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Einzelausstellung

Himmel und Sand

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Ausstellung "Himmel und Sand"

06.09.09, Alter Hoper Bahnhof, Hope

Auszüge aus der Eröffnungsrede von
Dr. des. Katia Tangian

Am Anfang war ein Atelierbesuch. In sakral wirkenden Räumen einer ausgebauten Scheune lernte ich die Arbeit von Hildegard Strutz kennen. Ein Atelier, das das Herz jedes Künstlers höher schlagen lässt: hell und hoch, mit gotisch zusammenlaufenden Fenstern, überquellend von Bildern und Farbe. Unzählige Leinwände lehnen an der Wand, stapeln sich in den Ecken, türmen sich auf Tischen und Stühlen, Tuben, Pigmente, Dosen, Eimer – man sieht gleich, dass hier gearbeitet wird, und zwar in Farbe. Ein klassisches Maleratelier, könnte man meinen, oder etwa nicht?

(...)

Ihre intensiv pigmentierten Leinwände sprechen eigentlich eine klare Sprache. Auch der Raum als solcher ist und bleibt ein Maleratelier. Das ist wohl eindeutig. Leuchtende Farben, wohin das Auge reicht: Jede Leinwand ist in einem anderen Ton gehalten, farblich ausgeglichen und in sich ruhend. Fein nuancierte Streifen ziehen sich von links nach rechts über das Bild und deuten einen Horizont an, ohne konkreter zu werden. Wirkt das obere Bildfeld eher statisch, kommt unterhalb der virtuellen Horizontlinie Bewegung hinein: Wie nach einem heftigen Regen bilden sich hier schmale Wasserrinnen, die die Komposition in vertikale Streifen unterteilen. So entstehen unregelmäßige Wasserspuren, blasse Krater in einer spröden Wüstenlandschaft. Sie graben sich tief in das Pigment hinein, vom eigenen Gewicht und von der Schwerkraft geleitet. Zurück bleiben lichte Stellen – ein Zufallsprodukt, ein kreatives Experiment, bei dem nicht der Künstler, sondern Naturelemente wie Wasser und Schwerkraft federführend sind.

Ich gehe einen Schritt näher, um die Oberfläche genauer zu betrachten. Erst jetzt entdecke ich feine Sandstreifen, die sich fast unmerklich in die Komposition einflechten und für helle, matte Oberflächen sorgen. Ein weiteres Naturelement also, das in diese organisch wirkende Bilder Einzug erhält und beim Betrachter landschaftliche Assoziationen weckt.

Gleichzeitig werden dank diesem Material kunsthistorische Allianzen geschlossen: So schlägt Strutz (bewusst oder unbewusst) einen Bogen bis zu den Anfängen der Moderne, als Pablo Picasso los zog, um die klassische Staffeleimalerei von ihrem Sockel zu stoßen. Auch er arbeitet oft und gern mit Sand, integriert Fundstücke in seine Bilder und erweitert somit die Mittel der Kunst auf alles Greifbare und Sichtbare. „Tout faire avec tout“ – „alles machen mit allem“, ist seine Devise. Auch löst sich Picasso als einer der ersten Maler vom Imperativ der menschlichen Figur und der realistischen Naturwiedergabe – ein weiteres Ziel, das Strutz offensichtlich verfolgt. Nur selten durchqueren senkrechte Schatten ihre Bilder, deren anthropomorphe Umrisse an einsame Wanderer erinnern. Doch größtenteils sind ihre Bilder völlig menschenleer: gelbe Wüstenlandschaften, blaue Meeresweiten, rot durchzogene Himmelfragmente, abstrakt und dennoch vertraut. (...)

Nun betrachte ich erneut die im Atelier hängenden Gemälde. Nach wie vor wirken sie landschaftlich-abstrakt, nach wie vor strahlen ihre Kompositionen Ruhe und Gelassenheit aus. Doch nun sehe ich sie mit anderen Augen. Jetzt erst erkenne ich darin die bescheidene Zurückhaltung der Künstlerin, ein Hauptcharakteristikum ihrer Arbeit. Bescheidenheit – zweifellos eine der seltensten Qualität in der aktuellen Kunstszene. Vielleicht wäre es an der Zeit, sich daran zu erinnern, welche Aufgabe der Kunst traditionell zukam? Strutz könnte dazu eine Vorlage liefern: Bei ihren Gruppenprojekten hält sie sich stets im Hintergrund. Sie agiert als eine Regisseurin, die lediglich organisiert und plant. Und auch bei ihren Gemälden ist eine ähnliche Tendenz festzustellen. Zwar trifft sie hier kompositorische Entscheidungen – Farbigkeit, Flächeneinteilung etc. werden präzise festgelegt. Doch die aktive Rolle übernehmen auch hier die anderen, nämlich der Zufall, das Wasser, die Schwerkraft ...

(...)

Der letzte Blick auf die Bilder, und ich verabschiede mich. Frau Strutz bringt mich noch schnell zur Tür. „Himmel und Sand“ wird die Ausstellung heißen, erfahre ich an der Türschwelle. Auf dem Rückweg denke ich darüber nach. Der Titel erscheint mir einleuchtend. Fast alle Kompositionen der Künstlerin beinhalten diese zwei Elemente. Doch noch etwas anderes schwingt im Ausstellungstitel mit. Eine Erinnerung an „Den kleinen Prinzen“ von Antoine de Saint-Exupery flackert plötzlich auf. Ein kleiner Junge, der vom Himmel fällt und sich im Sand von Sahara wieder findet. Er muss die Welt ähnlich gesehen haben: Himmel und Sand, wohin das Auge reicht. Erst später kommt die Erkenntnis: „Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“ Und: „Man sieht nur mit dem Herzen gut.“ Ja, recht hat er natürlich. Und daher meine zugegebenermaßen etwas paradox klingende These: Auch Kunst ist für die Augen unsichtbar, auch Kunst geht über ihr oberflächliches Erscheinungsbild weit hinaus. Und so liegt Strutz’ größte Qualität vielleicht gerade darin, den Kern – das Herz! – der Kunst zu erfassen und anderen zugänglich zu machen. Es reicht eben nicht, sich dabei auf das reine Sehen zu verlassen. (...)


Dänemark 2009


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